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Die fünf Prinzipien von Bodengesundheit


Der Nürnberger Weinhändler und gelernte Chemiker Martin Kössler hat mir dankenswerterweise den Aufsatz »Die fünf Prinzipien der Bodengesundheit« der australischen Bodenbiologin Christine Jones übermittelt. Seiner Meinung nach sollten ihn alle, die mit landwirtchaftlichen Produkten zu tun haben, gelesen haben. Dem kann ich mich nur anschließen, weshalb ich das Paper hier zusammengefasst habe. Das neunseitige Original ist empfehlenswert.

Oktober 2021
Quelle: Jones, Christine. Five Principles of Soil Health. Originalabdruck in der Oktoberausgabe 2017 von Acres U.S.A. magazine. Deutsche Übersetzung: Christoph Becker.


Es herrscht vielerorts Aufbruchsstimmung in der Landwirtschaft. Vor allem die nachfolgende jüngere Generation sucht angesichts des Klimawandels und der damit einhergehenden Bedrohung ihrer Lebensgrundlage nach Alternativen. Raus aus der Monokultur und weg von systemisch-chemischen Herbiziden hin zu einer regenerativen Landwirtschaft wie Biodynamie, Permakultur, Agroforstwirtschaft und anderen. Ziel ist vor allem Humusaufbau für einen dauerhaft lebendigen und fruchtbaren Boden. Für Ackerflächen, die Regenwasser auch in großer Menge absorbieren, Trockenperioden unbeschadet überstehen und CO2 speichern, anstatt zu emittieren. Die australische Bodenbiologin Dr. Christine Jones und Gründerin von Amazing Carbon hat die Grundlagen dafür in ihrem vielzitierten Aufsatz »Die fünf Prinzipien der Bodengesundheit« definiert. Hier eine Zusammenfassung.

Innerhalb der letzten 150 Jahre haben die besten Mutterböden der Welt zwischen 30 und 75 % ihres Kohlenstoffs verloren und damit einhergehend Fruchtbarkeit und Profitabiliät. Die Qualität von rund 30 % der weltweiten Ackerfläche hat sich in den letzten 40 Jahren dermaßen verschlechtert, dass diese aufgegeben werden mussten. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung ist die Restauration dieser Mutterböden laut Jones dringlicher denn je.

Dysfunktion von Böden wirkt sich auch auf die Gesundheit von Menschen und Tieren aus. In den letzten 70 Jahren ist der Nährstoffgehalt in so gut wie allen Lebensmitteln um zwischen 10 und 100 % gesunken. Man müsste heute doppelt soviel Fleisch, dreimal soviel Obst und bis zu fünfmal so viel Gemüse essen, um dieselben Mengen an Mineralien und Spurenelementen wie im Jahr 1940 aufzunehmen. Zahlen zu Gemüse und Fleisch auf Seite 1 im Paper. Der Rückgang des Mineralgehaltes in Fleisch und Molkereiprodukten spiegelt die Tatsache wider, dass sich der Gehalt im Pflanzenfutter der Tiere verringert hat.

Ursache dafür ist wahrscheinlich der sogenannte Verdünnungseffekt: Je höher die Erntemenge, umso geringer der Mineral- und Nährstoffgehalt. Allerdings wird dieser Effekt nicht bei hochertragreichen Ackerfrüchten beobachtet, die auf biologisch aktiven Mutterböden wachsen. Bei diesen ist der Nährstoffgehalt sogar höher. Rund 85 bis 90 % der Nährstoffaufnahme der Pflanzen erfolgt durch die Mitwirkung von unterschiedlichsten Mikroorganismen. Die Mehrheit dieser Mikroben reagiert auf Kohlenstoffkomponenten, die von den Wurzeln aktiv wachsender grüner Pflanzen abgesondert werden. Negativ beeinflusst werden sie durch die Verwendung von -ziden: Herbiziden, Pestiziden, Fungiziden, Insektiziden.

Die Funktion des Bodenökosystems wird also bestimmt durch die Anwesenheit, Vielfalt und Rate der Fotosynthese aktiv wachsender grüner Pflanzen - sowie durch die Anwesenheit oder Abwesenheit chemischer Gifte.

Zu den Prinzipen der Bodengesundheit

  1. Die Kraft der Fotosynthese. Ein Prozess, der in den Chloroplasten der grünen Pflanzenblättern stattfindet. Vereinfacht gesagt entfernt er Kohlendioxid aus der Atmosphäre und ersetzt es durch lebensspendenden Sauerstoff. Dieser unterstützt die Lebensgemeinschaften der Mikroorganismen im Boden, den Mutterboden zu regenerieren, das Wassergleichgewicht in der Landwirtschaft wiederherzustellen, die Nährstoffdichte der Lebensmittel und schlussendlich die Profitabiltät der Landwirtschaft zu verbessern. Ohne Fotosynthese also keine Mutterböden. Die Kraft der Fotosynthese wird bedingt durch Fotosyntese-Kapazität (= Die Menge des Lichts, die von grünen Blättern in einem gegebenen Gebiet eingefangen wird. Wird verbessert u.a. durch Untersaaten, strategisches Beweiden und Artenvielfalt generell.), Fotosynthese-Rate (= Die Rate, mit der Pflanzen in der Lage sind, Lichtenergie in Zucker umzuwandeln. Pflanzen mit einer hohen Rate haben einen hohen Zucker- und Mineralanteil, sind weniger anfällig für Schädlinge und Krankheiten und verbessern die Gewichtszunahme von Weidetieren), Weidemanagement (Von entscheidender Wichtigkeit dürfte sein, dass weniger als 50 % des vorhandenen Blattgrüns abgeweidet werden, siehe S. 4 im Paper), Ackerbau (Fortschrittlichere Maschinen und der steigende Einsatz hocheffizienter Pestizide haben die Fotosynthesekapazität riesiger kahl gewordener Flächen reduziert und setzen Kohlendioxid frei. Zwischensaaten tragen sehr rasch zu Verbesserung bei.)
  2. Mikroben sind wichtig! 95 % des Lebens an Land finden im Boden statt, das Gros der dafür benötigeten Energie wird von Pflanzen geliefert. Die Absonderungen (Exsudate) aus lebenden Wurzeln sind die kohlenstoffreichsten Quellen. Kräftige Wurzelsysteme und Mykorrhiza (unterirdische Pilze in Symbiose mit Pflanzenwurzeln) sind essentiell für Ackerfrüchte, sich mit Wasser, Mineralstoffen und Spurenelementen anzureichern und in Folge für die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Schädlinge und klimatische Extreme. Bodenleben schafft auch die nötige Struktur das Bodens, um Feuchtigkeit aufzunehmen und diese im Boden zu halten.
  3. Vielfalt ist nicht verzichtbar. Jede Pflanze sondert ihre eigene Mischung aus Zucker, Enzymen, Phenolen, Aminosäuren und vielen anderen Stoffen ab, von denen viele als Signale für Mikroorganismen wirken. Je größer die Diversität der Pflanzen [Anm. sowie die der Tiere und Insekten], umso größer die Diversität der Mikroben und umso robuster wird das Ökosystem des Bodens. Monokulturen hingegen brauchen Unterstützung von außen (u.a. durch -zide), woraus oben beschriebene Fruchtbarkeitsprobleme entstehen. In der innovativen Agrarwirtschaft werden indessen Feldfrüchte gemischt, auch Bäume werden vermehrt in die Felder gestellt. Pflanzen in Gemeinschaft unterstützen einander, über riesige Mykorrhiza-Netzwerke werden Kohlenstoff, Wasser und Nährstoffe transportiert und ausgetauscht.
  4. Reduktion des Gebrauchs von Chemikalien. Der Mineralstoffzyklus verbessert sich signifikant, wenn die Böden leben. Mykorrhizen können bis zu 90 % des Bedarfs an Stickstoff und Phosphors von Pflanzen decken. Dafür bedarf es Begleitpflanzen, Fruchtwechsels, Bedeckungen und der Reduzierung von Chemikalien und synthetischer Dünger. Es dürfte im Übrigen bekannt sein, dass im Jahr der Ausbringung nur 10 bis 15 % des in einem Dünger enthaltenen Phosphors von den Acker- und Weidepflanzen aufgenommen werden. Der Rest verbleibt im Boden, wo er sich über die Jahre massiv anreichert. Mikroben und Mykorrhizen hingegen helfen, auf den vorhandenen Phosphor zuzugreifen.
  5. Vermeidung von agressiver Bodenbearbeitung. Wiederholte und/oder aggressive Bodenbearbeitung erhöht die Empfindlichkeit für Erosion, reduziert den Kohlenstoff- und Stickstoffgehalt, mineralisiert rascher Bodennährstoffe und ist in hohem Maße schädlich für vorteilhafte bodenverbessernde Mikroben wie Mykorrhiza und wirbellose Tiere wie Regenwürmer.

Hält man sich an diese Prinzipien der Bodengesundheit heilen Böden und Landwirtschaft gleichermaßen, werden Böden und Pflanzen widerstandsfähiger gegen negative Klimaveränderungen – und es wird maßgeblich zum Klimaschutz beigetragen.

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