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Biodiversität im Weingarten


Im Frühling blühen nicht nur die Bäume. Winzerinnen und Winzer, denen die Gesundheit ihrer Rebflächen und die der Natur ein Anliegen ist, lassen auch ihre Weingärten blühen. Vom Nutzen der Biodiversität für Weinbau und Gesellschaft.

Mai 2022

Es gibt sie noch immer diese Weingärten, in denen im Frühjahr unter den Rebstöcken giftiges Herbizid gegen Unkraut zum Einsatz kommt. Erkennbar an den braunen Streifen mit ihren abgestorbenen Pflanzen. Das ist effizient und billig, auf allen Ebenen schädlich und reduziert auch die Mykorrhizierung (Bildung von Symbiosepilzen) auf den Rebwurzeln. Dass es auch anders nämlich mechanisch geht, beweisen unzählige Winzerinnen und Winzer – die meisten von ihnen biologisch oder biodynamisch, aber auch konventionell arbeitend. Sie bemühen sich, auf ihren Flächen die Natur ins Gleichgewicht zu bringen und erzielen daraus unzählige Vorteile.

Wenn man Ende Mai, Anfang Juni an diesen Weingärten vorbeispaziert, sieht man hüfthohes blühendes Gras, rote Mohnblumen, rosafarbene Saat-Esparsetten, weißen Senf, lilafarbene Büschelblumen, gelben Wiesenbocksbart, unterschiedliche Kleesorten, Kreuzkümmel und vieles mehr. Je nach Bedarf eingesät, lockert diese Begrünung den Boden, bereichert ihn durch unzählige Mikroorganismen und natürliche Nährstoffe wie Stickstoff, macht ihn aufnahmefähig für Wasser und speichert CO2. Sie kühlt, dient dem Humusaufbau, schützt vor Erosion und stärkt die Reben. Zudem ist sie Lebensraum für unzählige Insekten, Hummeln, Honig- und Wildbienen, Schmetterlinge, Kleintiere, und auch Hasen hoppeln gerne durch die Rebzeilen. Im Juni wird meist gemäht, der Grünschnitt wird liegengelassen und von den Bodenlebewesen zu Humus verarbeitet.

Je nach Bodenbeschaffenheit und Witterung bleibt die gemähte Einsaat stehen oder auch nicht. Sie hält die Feuchtigkeit im Boden, kann aber bei großer Trockenheit den Reben zuviel davon absaugen. Dann kann die Begrünung reduziert werden, indem man etwa mit eigens entwickelten Maschinen, sogenannten GreenManagern, die Wurzeln unterhalb durchtrennt. So bleibt der Boden mit dem Pflanzenmaterial bedeckt und aufnahmefähiger für Niederschläge. Denn wird der Boden gepflügt, vertrocknen und verhärten die oberen Schichten, Regenwasser kann nicht mehr eindringen. Zudem wird CO2 freigesetzt.

Neben der Rebzeilenbegrünung gibt es noch viele andere Möglichkeiten gelebter Artenvielfalt (übrigens das Motto des Weinguts Graf Hardegg). Weingartenknoblauch und Kräuter etwa fühlen sich dort wohl und auch Hecken und Bäume. Früher standen in allen Weingärten Büsche, Nuss-, Pfirsich- oder Marillenbäume, in der biodynamischen Landwirtschaft auch heute noch verpflichtend. Sie bereichern die Böden durch ihr Wurzelwerk und ihre Mykorrhizae, beschatten und kühlen alles unter ihrer Krone. Nützt man diese Hölzer auch wirtschaftlich, spricht man von Agroforstwirtschaft. In Kaffee- und Kakaoanbauländern übrigens wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, ihre vom Klimawandel bedrohten Kulturen zu retten und nachhaltig nützbar zu machen. Die Pflanzen nähren einander, systemische Spritzmittel und Dünger werden so obsolet; sie würden das natürliche Gleichgewicht erst recht wieder stören. Fruchtfolge und Permakultur sind die Lösung in der Agrarwirtschaft mit einjährigen Pflanzen, im Weinbau so nicht möglich. Umso wichtiger ist es, mit erhöhter Biodiversität und regenerativer Landwirtschaft die Böden und Natur gesund zu erhalten.

Zur biodynamischen Kreislaufwirtschaft gehören selbstverständlich auch die Tiere. Eines der Ziele dieser Bewirtschaftung ist die Unabhängigkeit von Lieferketten und eben das Im-Kreislauf-halten aller Güter. In den Weinbau lässt sich das nicht einszueins übernehmen, aber Schafe, Ziegen, Hühner, Gänse, Bienen selbstverständlich und da und dort auch Fische haben in den Weingärten oder angrenzenden Flächen längst Einzug gehalten. Ebenfalls – zum Teil gefährdete – Vögel durch das Anbringen von Nistplätzen und Futterstellen. Die Beweidung, die Exkremente, das Verteilen von Samen und die jeweiligen Mikroorganismen durch die Tiere tragen zu einer großen Artenvielfalt in und auf dem Boden bei und beeinflussen auch die Hefen auf den Trauben. Die Winzerinnen und Winzer sprechen zudem allesamt von einer großen Bereicherung überdies fürs Privatleben, die das tierische Leben auf ihren Weingütern mit sich bringt.

Dann gibt es noch die erweiterte Form der Weingarten-Biodiversität. Denn auch rundherum gibt es Flächen, angrenzende Brachen, Wege und auch Gewässer. Sie möglichst unberührt zu lassen, bis hin zur Verwilderung, ist ein Geschenk an die Natur. Mit der Einschränkung, dass man diese Plätze vor invasiven Arten wie der Robinie schützen muss.

All dies ist übrigens auch montetär messbar. Böden werden vermehrt nach ihrer Vitalität und Biodiversität bewertet. True Cost Accounting of Soil ist in der Finanzwelt angekommen. Gesunde Böden sind logischerweise wertvoller als degradierte. Ein ganz profaner Grund mehr für Biodiversität im Weingarten. Der gesellschaftliche Nutzen hingegen ist alles andere als profan. Gesunde Weingärten sind CO2-Senken, fördern die Artenvielfalt, sind Garant für die Bewahrung der Flächen und lassen bessere und vitalere Weine entstehen. Wenn das nicht Gründe genug sind!

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