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Pro und Kontra maschinelle Weinlese


Auf Weinetiketten steht immer öfter zu lesen: »Reine Handarbeit«. Denn Weinproduktion verläuft vielerorts längst vollautomatisiert und maschinell. Dies bezieht sich natürlich auch auf die Lese. Deshalb fühlen sich viele kleine – speziell biologisch und biodynamisch arbeitende – Winzerinnen und Winzer bemüßigt, ihre händische Arbeitsweise zu kommunizieren. Wie maschinelle Lese funktioniert und was die Vor- und Nachteile von maschineller Weinlese sind, habe ich hier zusammengetragen.

September 2021

Die Weinlese ist in vollem Gange. Seit Anfang September heuer etwas später als zuletzt. Für Winzerinnen und Winzer die wichtigste Zeit im Jahr, nun muss alles wie am Schnürchen laufen. Die Leseteams arbeiten von frühmorgens bis zum Sonnenuntergang – so wie Kellermeister und Weinpressen, damit das Traubengut so rasch wie möglich gepresst und der Most in den kühlen Keller kommt. Und dann gibt es da noch die Lesemaschinen, die Traubenvollernter. Mit ihnen spart man rare Arbeitskräfte, Zeit und Geld.

In natura habe ich noch keinen Lesemaschine in Einsatz gesehen, wohl aber von ihnen abgeerntete Weingärten. Daran zu erkennen, dass die entbeerten leeren Stielgerüste an den Rebstöcken hängen und die Reifenspuren der Maschinen am Boden zu sehen sind. Entwickelt wurden die Lesemaschinen in den 1960er-Jahren in den USA. Die Rebstöcke müssen dafür eine gewissen Höhe und die Rebzeilen einen gewissen Abstand haben, damit genügend Platz ist für den Ernter. Dieser bildet einen Tunnel über der Zeile und rüttelt die reifen Beeren von den Rebstöcken auf ein Förderband, störende Blätter und kleine Ästchen werden rausgeblasen. Das Traubengut wird in der Folge in einen Behälter und dieser zum Weinkeller befördert. Zur Veranschaulichung hier ein kurzer Film. Waren Lesemaschinen früher nur in flachen Weingärten möglich, gibt es inzwischen auch Traubenvollernter für Steillagen. Moderne Maschinen arbeiten präzise und schnell, sie schaffen bis zu einem halben Hektar Ernte pro Stunde. Dies erspart dem Weingut die Suche nach den rar gewordenen Arbeitskräften, große Summen an Löhnen, die Quartiere und Verpflegung der Saisonkräfte. Auch Wetterunbill wie Stark- oder Dauerregen ist weniger bedrohlich, wenn die Maschine rechtzeitig angeworfen wird, um flott die Trauben einzubringen. Die Ernte wird nicht verwässert, Fäulnis ist weniger ein Thema.

Die Nachteile überwiegen allerdings für viele Winzer*innen: Die Bodenverdichtung durch die schweren Maschinen ist im wahrsten Sinn des Wortes ein gewichtiges Argument dagegen. Die Beeren werden oft verletzt und müssen besonders rasch weiterverarbeitet werden. Die Traubenstiele, die für manche Weinstilistiken und für Rotweine gerne miteingemaischt oder vergoren werden, verbleiben im Weingarten am Rebstock. Und möchte man in mehreren Lesedurchgängen besonders exakt lesen, weil die Trauben nun einmal unterschiedlich reifen, ist die maschinelle Lese ebenfalls nicht die richtige Wahl. Der am stärksten wiegende Nachteil der maschinellen Lese ist jedoch der soziale Aspekt. Statt Arbeitsplätze zu schaffen, werden diese vernichtet. Das gemeinsame Arbeiten, gemeinsame Mahlzeiten und die – auch bei Müdigkeit empfundene – Freude über die täglich eingebrachte Ernte machen diese Zeit seit jeher besonders. Das fällt weg, und vor allem der Leseschluss, der auf vielen Weingütern ausgiebig gefeiert wird. Schade!

Biologische Landwirtschaft gestattet übrigens Maschinenlese, ausschließlich der biodynamische Weinbau schreibt Handlese vor. Dies gilt gleichermaßen für Biodyvin, Demeter und respekt-BIODYN. Traubenqualität, Bodenvitalität und die soziale Funktion der Handlese stehen im Vordergrund. Die konventionell und biologisch arbeitenden Winzer haben die Wahl. Es ist auf jeden Fall immer auch eine Frage des (Wein-)Preises und der Positionierung.

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