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Warum Essen nach den Jahreszeiten uns auch glücklich macht


Es gibt vielerlei Gründe, weshalb saisonales Obst und Gemüse aus der Region die bessere Wahl ist. Ein gewichtiges Argument ist die geringere Umweltbelastung. Ein weiteres, dass wir mit aromatischeren Früchten und somit besserer Qualität beschenkt werden. Und ein drittes, dass wenn unsere Geduld endlich belohnt wird, wir mit Glückshormonen bedankt werden.

Juni 2021

Zahlen aus: Berners-Lee, Mike (2020). Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem. Zürich: Midas.

Lesen Sie auch Michaela Starks »Kleine Schule des Genießens.
Was auch Führungskräfte im stressigen Alltag über diese Kompetenz wissen sollten.«

Endlich Spargelzeit! Ist das nicht herrlich! Wochenlang streifen wir um die importierten Spargelstangen aus erst Peru und dann Italien und bleiben standhaft. Um dann, wenn endlich die heimischen in den Regalen liegen, zuzuschlagen! Ein Glückmoment beim ersten Bissen. Glücksmomente auch dann, wenn's heißt: »Erdbeerzeit! Kirschenzeit!« Wertvolle Zeitspannen, die es auszukosten gilt und viel zu rasch zuende gehen. Ein Pläydoyer für das jahreszeitliche Essen.

Können Sie sich erinnern, als wir Kinder waren, in den 1970er- oder 1980er-Jahren, als vieles noch nicht selbstverständlich rund ums Jahr in den Regalen lag? An die Vorfreude, wenn die Kirschen langsam an den Bäumen heranreiften und man so manche halbgrüne, harte und saure wieder ausspuckte, weil man es nicht erwarten konnte? Und schließlich, wenn es endlich soweit war, dieser köstliche Moment! Moment des Innehaltens, Dahinschmelzens, der Gaumenfreude. Ein Moment, der über das Gehirn gesteuert wird – mit Botenstoffen aus dem neuronalen Belohnungssystem. Das Glückhormon Dopamin spielt dabei eine zentrale Rolle. Es wird im Vorfeld, in der Vorfreude, ausgeschüttet. Wenn ein Ziel nahe ist und ein Verlangen oder die unmittelbare Aussicht auf Belohnung uns zu einer Handlung motiviert. Wie etwa, wenn wir das Gegenüber beim genüsslichen Verspeisen einer Mousse-au-Chocolat-Torte beobachten und wir gleich beim Kellner eine bestellen werden. Oder wenn wir eben um die importierten Spargelstangen herumstreifen, diese in Erwartung der heimischen aber nicht ins Einkaufskörberl legen. Wenn wir schlussendlich in den Genuss kommen, in die Erfüllung dieser Begierde, dann werden körpereigene Opiate ausgeschüttet, unter anderem Endorphine und weitere Botenstoffe wie das Oxytocin.

Sehnsucht, Verlangen und Befriedigung motivieren zum Handeln. Und je länger man auf etwas hinwartet und die Befriedigung hinauszögert, umso verführerischer und köstlicher wird die verbotene Frucht. Und umso mehr Botenstoffe schüttet unser neuronales Nervensystem erst in der Erwartung und folglich in der Befriedigung aus. Der Kick bei der ersten heimischen und vollreifen Kirsche im Juni! Juchu! Unsere Hormone tanzen Salsa.  Das sollten wir uns bewahren. Exklusivität auch im Sinne von zeitlicher Limitierung. Wie man diese Momente besonders auszukosten lernt, ist übrigens in diesem empfehlenswerten Artikel »Die kleine Schule des Genießens« der Psychologin Michaela Stark nachlesen. Aufmerksamkeitsschulung für unsere Sinne.

Mehr Aromatik – zur rechten Zeit am rechten Ort. Um wievieles besser, aromatischer und fruchtiger schmecken Kirschen, Erdbeeren, Marillen oder Tomaten, und ja auch Spargel, wenn sie zur rechten Zeit am rechten Ort geerntet werden. In unserem regionalen Umfeld. Wenn sie nicht in Kühlcontainern quer über den Erdball transportiert werden. Unreif geerntet, damit sie die Reise überstehen. Und folglich ihre wahre Stärke, ihre gegebene aromatische Köstlichkeit, nie ausbilden können, aber haltbar gemacht sind durch Bestrahlung und chemische Behandlung, produziert oft unter fragwürdigen Bedingungen. Deshalb: Ausschließlich dann, wenn die Erdbeeren bei uns zuhause reif sind, sind sie gut. Punktum. Danach freuen wir uns einfach auf das nächste Jahr. Ist doch schön!

Zum guten Schluss die Öko-Bilanz. Jeder Mensch, jedes Gut, jedes Lebensmittel hat einen ökologischen Fußabdruck. Dieser setzt sich zusammen aus seinem Flächenverbrauch und dem CO2-Fußabdruck1. Um letzteren geht es hier, das Leben ist kompliziert genug. Und diese Zahlen sprechen Bände. Siehe auch Fußnote2, das Gewicht von CO2 in Relation.

- Spargel 250 g
0,27 kg CO2e regional während der Saison
4,7 kg CO2e per Luftfracht aus Peru
Für 1 kg liegen die Emissionen für Luftfracht ungefähr um 100 x höher als per Seefracht

- Tomaten 1 kg
1,3 kg CO2e große Salattomaten, lokal gewachsen während der Saison
4,9 kg CO2e Mini-Pflaumentomaten, gewachsen im Sommer in Großbritannien oder im Winter in Spanien
28,2 kg CO2e Bio-Cherrytomaten aus einem Gewächshaus in Großbritannien im März

- Erdbeeren 250 g
490 g CO2e, regional und saisonal gewachsen
770 g CO2e gefroren und regional
3,65 kg CO2e eingeflogen aus Südafrika oder regional aus einem Gewächshaus außerhalb der Saison

Lassen Sie uns bei den Lebensmitteln beginnen, unseren persönlichen Fußabdruck zu minimieren. Nicht immer, aber immer öfter. Denn saisonaler Genuss ist ein win-win für unsere Geschmacksnerven, unser Belohnungssystem und! unseren Planeten.

1Es gibt unterschiedliche Methoden und Parameter und keine weltweit standardisierte Formel. In den Fußabdruck eines Gutes muss die gesamte Lieferkette und sein gesamter Lebenszyklus miteinkalkuliert werden inkl. Verwertung oder Vernichtung. CO2 steht für alle Treibhausgase, also auch Methan und Stickoxide, die in ihrer Auswirkung auf CO2 umgerechnet werden und für einen Zeitraum von 100 Jahren gelten. Korrekt spricht man von CO2-Äquivalten = CO₂e. Generell handelt es sich bei diesen Zahlen immer um realistische Schätzungen. Mike Berners stützt sich auf eine Vielzahl an Methoden und forscht hierzu an der Universität Lancaster. Die hier angegebenen Zahlen beziehen sich auf Supermarktprodukte in Großbritannie und, können deshalb nicht einzueins für Österreich übernommen werden. Im Groben allerdings sehr wohl und nur darum geht es hier.

2Mike Berners-Lee führt in seinem Buch, siehe linke Spalte, auf Seite 21 folgendes aus. Eine Regentonne gefüllt mit Benzin und dieses angezündet emittiert eine Tonne CO2e in die Atmosphäre. Eine Halbliterflasche voll Bezin würde 1 kg CO2e abgeben, ein Tropfen Benzin 1 g. Ein durchschnittlicher Brite hat einen jährlichen Fußabdruck von 13 Tonnen, ein Amerikaner einen viel höheren und ein Nigerianer einen sehr viel geringeren. Der globale Durchschnitt liegt bei 7 Tonnen. Ein weltweiter Ausstoß von 5 Tonnen pro Kopf sei anzustreben.

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